Donnerstag, 15. November 2012

Rede zum Volkstrauertag

Sehr geehrte Damen und Herren, wehrte Vertreter der Vereine, Verbände und Politik. Als ich gefragt wurde, ob ich am heutigen Volkstrauertag einige Worte sagen könne, habe ich erst innerlich gezögert eine Zusage zu geben. Warum? – Weil ich persönlich keinen direkten Bezug zum Inhalt des Tages habe. Ich lebe in einer Generation, die im eigenen Land weder einen direkten Krieg verursacht noch erlebt hat. Diese Tatsache erfordert eine gewisse persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema und der Geschichte des Volkstrauertages. Gleichzeitig gilt es Gegenwart und Zukunft in den Blick zu nehmen. Schon immer hat es in Europa kämpferische Auseinandersetzungen gegeben. Revolutionen, Aufstände, Machtkämpfe um Land, soziale Gerechtigkeit und politische Veränderungen sind geschichtlich belegt und gehören zur Allgemeinbildung eines Staatsbürgers. Ebenfalls die Folgen aus den Auseinandersetzungen: In der Regel mussten Menschen durch Einwirkung von Gewalt für ihre Ideale – ob sie nun gut oder schlecht waren sei dahingestellt – sterben. Es stellt sich mir nun die Frage, warum es erst in der Weimarer Republik dazu kam, dass der sogenannte „Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge“ einen Gedenktag für die gefallenen deutschen Soldaten des Ersten Weltkrieges vorschlug. Die Ursache und Notwendigkeit eines solchen Gedenktages in der damaligen Zeit liegt wohl in der neuartigen Wahrnehmung des vorhergegangenen Krieges. – Der 1. Weltkrieg war der 1. Krieg, in dem die Gräueltaten der Menschen und Soldaten in Bildern und Filmen aufgezeichnet und gezeigt wurden. Noch nie hatte es vorher eine so große Materialschlacht mit Einsatz von Massenvernichtungswaffen, wie Panzer und Giftgas gegeben. Der Krieg rückte bis in die Städte, in jede Familie. Spätestens als die Ersten Söhne nicht wieder kamen oder verkrüppelt überlebt hatten war die Euphorie des Volkes von 1914 vorbei. Trauer Tod und Schmerz zog ein in die Häuser. Und dieser Schmerz braucht einen Ort, dies hat man in der Weimarer Republik erkannt und letztendlich durch die Einführung des Volkstrauertages zum Ausdruck gebracht. Die „Cellesche Zeitung“ berichtete in ihrer Ausgabe vom 27. Februar 1926: "Volkstrauertag! Der erste deutsche Volkstrauertag soll in erster Linie dem Ehrengedenken unserer im Weltkriege gefallenen Väter, Brüder und Söhne gewidmet sein. Es ist nur zu wünschen, daß sich diese ernste Feier recht tief und fest und feierlich, auch ohne viele Reden und Gesänge, aus dem ureigenen deutschen und menschlichen Empfinden heraus geltend macht in den Herzen des ganzen Volkes. (…)" Volkstrauertag bedeutet, nicht nur den gefallenen Soldaten aller Nationen zu gedenken. Es bedeutet viel mehr, sich bewusst zu machen, dass ein Krieg niemals einen Konflikt wird lösen können. Es wird immer nur Leid auf allen Seiten produziert. Niemals sollte es mehr Krieg geben, das war die Grundidee für den heutigen Gedenktag. Leider hat diese positive Absicht nicht lange gehalten. Wirtschaftskrise, geschicktes Auftreten und agieren der NSDAP und auch die sich beeinflussende und teils blinde Gesellschaft der Dreißiger Jahre führte unsere Heimat – selbstverschuldet – in die nächste Katastrophe, um deren Erklärung sich manch‘ älterer Geschichtslehrer – trotz Lehrplan – in der Schule gedrückt hat. Wieder wurden viele Millionen Menschen gefoltert, ermordet und in Leid gestürzt. – Auch das ist medial festgehalten und wird uns z.B. um den 07.Mai – Tag der Kapitulation – und den 09. November – Reichspogromnacht – immer wieder bewusst gemacht. – Das Ziel ist dabei immer, dass wir nicht in Versuchung kommen zu vergessen, zu welchen Taten Menschen fähig waren. In den letzten Jahrzenten hat unser Volk gelernt, dass ein sinnvolles Zusammenleben der Völker und Kulturen nur in demokratischen Strukturen gelingen kann. Durch das Grundgesetz und die Verfassung gestützt sorgen sich unsere frei gewählten Volksvertreter um das Wohl unserer Nation und bemühen sich die soziale Gerechtigkeit des ganzen Volkes im Blick zu behalten. – Das ist gar nicht einfach, denn auch Heute müssen wir aufpassen, dass nicht – als demokratisch getarnte – extreme Parteien unsere gesunde Demokratie unterwandern und durch nicht einhaltbare Versprechungen und Geschenke Menschen verführen. Unser Land hat das Glück die längste Friedensperiode der deutschen Geschichte auf eigenen Boden zu erleben. Leider ist es nicht allen Ländern vergönnt. Immer noch gibt es verrückte Politiker, Führer, die im bewaffneten Kampf ihr Heil suchen, wobei das Volk leidet und nicht der Anführer. Dieser traurige Umstand führte in den letzten Jahren dazu, dass weltweit Soldaten aus demokratischen Ländern in Krisengebiete geschickt wurden und werden, um dort die leidenden Menschen zu befreien und den Völkern den Gedanken einer Demokratie näher zu bringen. Bei all den guten Versuchen dieser Frauen und Männer im Staatsdienst müssen wir auch zur Kenntnis nehmen, dass es Kriegsgebiete sind, in denen sie arbeiten. Sie wollen den Menschen vor Ort zu einem besseren Leben helfen und begeben sich dafür bewusst in die Gefahr für das eigene Leben. – Viele haben Glück und kommen nach ihrer Dienstzeit wieder zu ihren Familien, aber immer öfter hören wir auch von tragischen Todesfällen. Sehr geehrte Damen und Herren, wehrte Vertreter der Vereine, Verbände und Politik. Die Motivation in einen Kampf zu ziehen mögen sich in der deutschen Geschichte geändert haben. Nicht mehr Expansion, Rache und Völkermord sind die Schlagworte, sondern Freiheit, Demokratie und Friedensstiftung veranlassen unsere Politiker Menschen auszusenden. Was aber immer bleiben wird ist, dass Krieg nie einen Gewinner haben wird. So liegt es an einem jeden von uns seinen Teil für den Frieden im Ort, im Land, in der Welt beizutragen. Dazu gehört demokratisches Verhalten, ein Auseinandersetzen mit gesellschaftlichen, politischen Themen und Strömungen, soziales Engagement und eine couragierte christliche Lebensführung. Gedenken wir allen Verstorbenen Brüdern und Schwestern. Bekennen wir uns zum unersetzlichen Wert des Lebens.